Im März 2020 könnten die Vereinten Nationen das ein halbes Jahrhundert anhaltende Vertragsverbot für Cannabis als Medizin beenden. Der Prozess, der 2016 startete wird im März 2020 enden. Die Liste der 53 Länder, welche an dieser historischen Abstimmung teilnehmen werden, wurde heute veröffentlicht und birgt einige Überraschungen.
Die WHO hat in den letzten Jahren einen stillen aber wirkungsvollen Prozess durchlaufen: Eine beispiellose wissenschaftliche Bewertung von Cannabis, Cannabinoiden und Cannabisderivate. Ihre Ergebnisse sind bahnbrechend, geben Aufschluss über die oft übertriebenen Schäden im Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum und fordern eine völlig gesundheitsorientierte öffentliche Politik in dieser Angelegenheit.
Neben der Beurteilung der Droge und der Aktualisierung von Wissen über sie, umfasst das Ergebnis der Bewertung durch die WHO das weitere Drogen Kontrollsystem der Vereinten Nationen: Denn die auf wissenschaftlichen Belegen beruhenden Empfehlungen der WHO stellen das (einzige) offizielle Verfahren dar, um die Einstufung einer Droge im Rahmen der Abkommen zur Drogenkontrolle zu ändern- diese berühmten Einstufungen der Abkommen wurden oft bezichtigt, Knackpunkte der globalen Prohibition zu sein (so die Einstufung IV der „Single Convention of Narcotic Drugs“ von 1961, die Cannabis beinhaltet).
Wie dem auch sei, die ehrliche und positive Empfehlung der WHO tritt nicht von alleine in Kraft. Sie muss von den Vereinten Nationen befürwortet werden. Dies passiert in einer Abstimmung, die durch die „functional Commission in charge of drug regulated matters“ durchgeführt wird und aus 53 Ländern besteht: Die Commission on Narcotic Drugs – CND, zu deutsch Suchstoffkommission. Die CND Wird vorraussichtlich in ihrer 63. Sitzung im März 2020 unter dem Tagesordnungspunkt „Veränderungen im Bereich der Kontrolle von Substanzen“ über das Thema abstimmen.
Da einige der Mitgliedsländer der CND am 1. Januar 2020 erneuert werden, haben die Vereinten Nationen gestern die neuen Mitglieder der CND gewählt, in Vorbereitung für die (fast) endgültige Liste der Länder, die berechtigt sein werden an dieser historischen Abstimmung über die Cannabis Neueinstufung teilzunehmen:
- 20 Länder sind bereits Mitglieder mit einer Amtszeit bis Dezember 2021 (Afghanistan, Algerien, Australien, Belgien, Brasilien, Burkina Faso, Kanada, Chile, Kolumbien, Elfenbeinküste, Kroatien, Kuba, Tschechische Republik, Frankreich, Indien, Irak, Kirgistan, Russland, Schweiz und Togo).
- 31 Länder wurden gestern vom Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) gewählt (Österreich, Angola, Ecuador, El Salvador, Deutschland, Ungarn, Italien, Jamaika, Kenia, Libyen, Mexiko, Marokko, Niederlande, Peru, Polen, Südafrika, Spanien, Schweden, Türkei, Ukraine, Großbritannien, USA, und Uruguay, während Kasachstan, Pakistan, Japan, Bahrain, Nepal, Turkmenistan, China und Thailand in einem geheimen Wahlgang gewählt wurden).
- Zuletzt wurde die Wahl der zwei verbleibenden Mitglieder aus der afrikanischen Gruppe vom Rat vertagt und ist voraussichtlich vor dem Sommer zu erwarten.
Die Sitzverteilung basiert auf regionalen Gruppen- ein wesentlicher Bestandteil des Systems der Vereinten Nationen:
Regelungen und Übereinstimmungen werden normalerweise zwischen Ländern innerhalb dieser Gruppen getroffen, bevor sie mit allen Ländern diskutiert werden. Dies trifft auch auf die Etablierung der Wahlposition in der CND zu: von den 53 Ländern kommen 11 aus der afrikanischen Gruppe (AG), 11 aus der Asien-Pazifik Gruppe (APG), 14 aus der Gruppe der westeuropäischen und anderen Staaten (WEOG), 6 aus osteuropäischen Staaten (EEG), 10 aus der Gruppe Lateinamerika und die karibischen Staaten (GRULAC). Der dreiundfünfzigste Sitz wechselt zwischen APG und GRULAC: in der nächsten vierjährigen Amtszeit hat die APG 12 Sitze.
Zusätzlich zu regionalen Gruppen, haben sich die Länder der europäischen Union auf ein zwingendes Mandat geeinigt (sie stimmen vorher überein, für dasselbe zu stimmen) und verdrängen so die Diskussionen, die innerhalb der regionalen Gruppen geführt werden. Dies könnte einen Einfluss haben, da die Mitglieder der EU sowohl in der WEOG als auch in der EEG repräsentiert sind (in der Graphik unten in rot hervorgehoben).
Zu den Beweggründen der Abstimmung, besagt die Single Convention von 1961, dass Einschätzungen (der WHO) bestimmend für medizinische und wissenschaftliche Themen sein sollten. Aber unmittelbare Nachträge ergänzen, dass Entscheidungen unter Berücksichtigung der ökonomischen, sozialen, legalen, administrativen und anderer Faktoren, die relevant sein könnten getroffen werden müssen (siehe Artikel 2 (5) und (6)). Somit ist eine Grauzone für die CND geschaffen. Es gibt keinen Präzedenzfall für eine Ablehnung einer WHO Empfehlung durch die CND. Allerdings gibt es einen Präzedenzfall, in welchem die CND sich entschieden hat, nicht über eine Empfehlung der WHO abzustimmen: im Jahr 2014 hat die Comission on Narcotic Drugs (CND) einstimmig beschlossen, nicht über die Empfehlung der WHO abzustimmen, Dronabinol und seine Stereoisomere von Kategorie II zu Kategorie III der Konvention über psychotrope Substanzen von 1971 umzustufen (Siehe Crimson Digest 1, Crimson Digest 2).
Neue und vorige Mitgliedstaaten der CND
Es ist interessant, die ansteigende Präsenz der Länder mit langer (und gut bekannter) Tradition bezüglich Cannabis zu betrachten: Jamaika, Marokko, Nepal, treten der CND bei. Angola, die Ukraine und Kasachstan sind ebenfalls wichtige Gebiete für reiche vorherrschende genetische Diversität der Cannabispflanzen, obgleich dies wenig bekannt ist.
Länder, die die internationale Debatte über den Umgang mit Cannabis und ihren Bedarf an faktenbasierten Reformen (so wie Uruguay, Mexiko, die Niederlande, Thailand oder Südafrika) angeführt hatten, und deren Positionen herausgefordert wurden, waren imstande ihre Sitze zu behalten.
Europa ist ebenso im Fokus. Obwohl gegenwärtig noch nicht sicher ist, ob Großbritannien (das nach der fehlgeschlagenen Wahl zwei Jahre zuvor jetzt in die CND gewählt wurde) im März 2020 Teil der EU sein wird, steht fest, dass die EU Länder ihre Präsenz in der CND von 11 Sitzen im Jahr 2019 auf mindestens 12 Sitze (oder 13, wenn Großbritannien in der EU bleibt) im Jahr 2020 erhöhen werden.
Die Tabelle zeigt die Mitglieder 2019 im Vergleich zu 2020
Karte der regionalen Gruppen der Vereinten Nationen
Übersetzung: Pauline Köhler